Sind wir auf dem richtigen Weg?
In der klinischen Ethikberatung geht es um den Willen und die Würde unserer Patientinnen und Patienten.
Es gibt Tage, an denen sich das Krankenhauspersonal fragt: „Ist das wirklich der Wille des Patienten?“ So modern die Medizin heute ist, so häufig fordert sie von allen Berufsgruppen innerhalb eines Krankenhauses komplexe Entscheidungen am Patientenbett, wenn es heißt, dem Willen des Patienten zu folgen. Ethik, Medizin und eigene moralische Überzeugungen stehen sich in einer Diskussion gegenüber. Dies ist vor allem dann nicht einfach, wenn der Patient nicht einwilligungsfähig ist und sich nicht klar äußern kann. Dabei kann es innerhalb der Pflege und der Ärzteschaft unterschiedliche Meinungen geben. Was nun?
Ethisch beraten
Im Vinzenzkrankenhaus gibt es für ein solches Dilemma ein klinisches Ethikkomitee, kurz KEK, das aus je fünf Mitgliedern der Pflege und der Ärzteschaft, einem externen Mitglied sowie der Seelsorge besteht. Das KEK bietet in schwierigen ethischen Fragen eine klinische Ethikberatung an. In einer solchen Beratung sitzen sich Medizin, Pflege, Angehörige und, falls möglich, der Patient sowie zwei Mitglieder des KEK gegenüber, um interdisziplinär anstehende oder bereits getroffene Entscheidungen ethisch zu reflektieren. Die Beratung kann von jeder Berufsgruppe immer dann eingefordert werden, wenn Werte und moralische Überzeugungen berührt werden oder es Unsicherheiten bei der Behandlung eines Patienten gibt.
Gemeinsam ans Ziel
Es ist irrelevant, wie spektakulär ein Behandlungsfall ist, die Ethikberatung steht als Orientierungshilfe in komplexen Fragen zur Seite. „Das Ziel ist es, dass wir am Ende einer Beratung, nach Sammlung und Bewertung aller Fakten, einen Konsens über das weitere Vorgehen haben. Dabei haben wir als Mitglieder des KEK die Aufgabe, das Gespräch zu moderieren und zu dokumentieren. Denn alles, was in einer Beratung besprochen wird, findet sich am Ende auch in der Akte des Patienten wieder“, erzählt Dr. Uwe Deuker, Oberarzt der Gynäkologie und Mitglied des KEK. Das Ergebnis am Ende ist kein Beschluss, der umgesetzt wird. Die Medizin wird nicht entmachtet, die Verantwortung bleibt weiterhin bei der behandelnden Ärzteschaft. „Aber es hilft, einen guten Überblick zu bekommen. Oft gehen die Ziele der Pflege und der Ärzteschaft in die gleiche Richtung“, schließt Anja Röhler, Oberärztin auf der Intensivstation, ab.
Kein richtig oder falsch
Seit etwa drei Jahren gibt es neben der Möglichkeit einer Ethikberatung auch eine monatliche Ethikvisite auf der Intensivstation. Anders als bei einer ethischen Fallbesprechung bietet das KEK hier allen behandelnden Personen der Intensivstation die Möglichkeit, Patienten vorzuschlagen, bei denen es sinnvoll erscheint, das Therapieziel noch mal mit dem Willen des Patienten abzugleichen. Es wird also niederschwellig mit Ärzten, Pflegenden, ein bis zwei Mitgliedern des KEK und gegebenenfalls anderen Berufsgruppen, zum Beispiel der Physiotherapie, über die ethische Seite der Behandlung in einem kleinen Zeitslot gesprochen, der Patientenwille herangezogen und das Therapieziel benannt. Direkt am Patientenbett klärt ein KEK-Mitglied anschließend, wenn möglich, mit dem Patienten selbst dieses Therapieziel und schaut, ob es mit dem Patientenwillen übereinstimmt. Das Ergebnis und auch eventuell entstandene offene Fragen mit der Notwendigkeit einer Klärung werden dann standardisiert in der Patientenakte dokumentiert. Letztlich dient die Ethikvisite dazu, schon im Vorfeld einen ethischen Behandlungskonflikt zu vermeiden, indem man diese Seite der Patientenversorgung thematisiert.