Menschlich: Claudia Meyer ganz offen über ein sensibles Thema
Komplizierte Wunden, künstliche Harn- oder Darmausgänge: Claudia Meyer widmet sich sensiblen Themen. Ihre Funktion und Expertise im Wund-, Stoma und Inkontinenzmanagement ist eine Besonderheit des Vinzenz. Wir haben sie bei ihrer Arbeit begleitet.
Seit 1997 arbeitet Claudia Meyer im Vinzenzkrankenhaus, anfangs als Krankenschwester in der Viszeralchirurgie (lateinisch viscera = Eingeweide). Heute ist sie als zertifizierte Wundexpertin und Pflegetherapeutin im gesamten Haus für das Wund-, Stoma- und Inkontinenzmanagement zuständig.
Im Dialog mit ihren Patienten
Nach dem Anklopfen betritt Schwester Claudia mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ das Zimmer. Mit ihrem ersten Patienten spricht bereits Heike Gras, eine Kollegin aus dem Sozialdienst, über eine Weiterversorgung der zwei Stomata. Es geht um die Lage der Ausgänge, die sich aufgrund paralleler Erkrankungen ergeben haben und eine eigenständige Versorgung schwieriger machen. Schwester Claudia nimmt sich Zeit, um genau zu erklären, wieso die Ausgänge so nah beieinanderliegen und was das bedeutet. Es ist wichtig, dass zuerst das Urostoma (der künstliche Blasenausgang) versorgt wird und dann das Ileostoma (Dünndarmausgang). So lassen sich Harnwegsinfektionen vermeiden. Die meisten Menschen, die für immer oder vorübergehend ein Stoma erhalten, kommen damit in den ersten Tagen schwer zurecht. Es braucht Zeit, Zuwendung und eine professionelle Anleitung. Nach zwei bis vier Tagen entsteht durch die täglichen Besuche ein Vertrauensverhältnis. Die Patienten fühlen sich bei Claudia Meyer aufgehoben und nehmen ihre Beratung gern in Anspruch.
Versorgung nach dem Vinzenz
Beim nächsten Patienten, den Schwester Claudia betreut, konnte das Urostoma (Ileum-Conduit) optimal angelegt werden. Es ist circa einen Zentimeter erhaben, sodass es der Patient gut einsehen und Urin nicht unter die Basisplatte entweichen kann. Zusätzlich konnte es perfekt rund angelegt werden, sodass vorgestanzte Basisplatten bestellt werden und die tägliche Versorgung leichter fällt. Schwester Claudia kennt den Patienten gut, daher ist das Gespräch direkt und persönlich: „Bloß kein Desinfektionsspray auf die Haut. Zum Reinigen reicht klares Wasser. Sonst bekommen Sie eine Hautreizung.“ Es gibt verschiedene Stoma-Nachsorger, die zertifizierte Stoma-Therapeuten und eine Vielzahl an Materialien unterschiedlicher Hersteller anbieten. Diese übernehmen die weitere Beratung und Anleitung nach dem stationären Aufenthalt.
Liebe zum Beruf
„Ich liebe meinen Job, weil ich Fachwissen und Erfahrungen an Patienten und Kollegen weitergeben kann und mir das Vinzenz ermöglicht, selbstbestimmt zu arbeiten“, erzählt Schwester Claudia. „Mein Potenzial hat das Direktorium gesehen, es hat ermöglicht, dass ich mich weiterbilde, und hat mir Freiraum gegeben, das Wund-, Stomaund Inkontinenzmanagement im Vinzenz zu implementieren.“ Der Umgang mit Ausscheidungen wie Urin und Stuhlgang ist vielerorts ein Tabuthema. Claudia Meyer begegnet ihm mit Kommunikationstalent und Empathie: „Jeder Mensch muss abführen oder urinieren. Das gehört zum Leben, leider wird dies von unserer Gesellschaft noch tabuisiert.“
Auf der nächsten Station wartet ein Patient mit einer komplizierten chronischen Wunde, einem Dekubitus. Schwester Claudia zieht Oberärztin Fatbardha Mikley, Gefäßchirurgin und ärztliche Wundexpertin, hinzu. Beide beurteilen und behandeln gemeinsam, um eine bestmögliche Versorgung zu sichern. Alle Fachbereiche sind ständig miteinander im Austausch und vernetzt, um so eine bestmögliche Therapie zu gewährleisten.
Mehr als ein Verband
Zu einer professionellen Wundtherapie gehört mehr als ein Verband. Bei einem Druckgeschwür, einem Dekubitus, muss die Ursache behoben werden. Schwester Claudia weiß, wie wichtig das Umlagern ist – einer von vielen Faktoren, die eine Wundtherapie beinhaltet. Claudia Meyer sieht nicht jede Wunde im Vinzenzkrankenhaus. Ärzte und Pflegekräfte ziehen sie hinzu, wenn Wunden kompliziert sind oder sie eine Therapieempfehlung brauchen. Die Expertin erklärt dann offen und ehrlich, wie Patienten mithelfen können, dass ihre Wunden heilen. Zwischendurch klingelt immer wieder ihr Telefon. Schwester Claudia notiert sich einen weiteren Patienten im Terminplaner. Sie dokumentiert das in der digitalen Patientenakte, spricht mit Kollegen, ambulanten Therapeuten, Pflegeeinrichtungen oder Angehörigen. Dabei spürt jeder, was Claudia gern erzählt: „Es ist meine Bestimmung, Stoma- und Wundtherapeutin zu sein. Ich bekomme so viel zwischenmenschliches Feedback und sehr große Anerkennung.“
WAS BEDEUTET STOMA?
Das Wort Stoma kommt aus dem Griechischen und heißt Mund, Mündung oder Öffnung. Es bezeichnet nicht nur einen künstlichen
Darmausgang (Dickdarmausgang = Colostoma, Dünndarmausgang = Ileostoma), sondern auch künstliche Ausgänge etwa der Blase (Urostoma) oder der Luftröhre (Tracheostoma). In der medizinischen Bezeichnung wird der Name des betroffenen Organs vorangestellt, im Alltag häufig nur die Kurzform Stoma verwendet.