Das Darmzentrum des Vinzenzkrankenhauses ist seit 15 Jahren zertifiziert. Seitdem hat sich die Behandlung von Darmkrebspatienten stetig weiterentwickelt und verbessert.
Als erstes Krankenhaus in der Region Hannover wurde das Darmzentrum des Vinzenzkrankenhauses im September 2008 nach den von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) vorgegebenen Qualitätskriterien durch externe Fachexperten des Instituts OnkoZert erstzertifiziert. Auch davor behandelten unsere Ärztinnen und Ärzte die Darmkrebspatienten bereits nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Seit der Erstzertifizierung werden die geltenden Behandlungsstandards zusätzlich jährlich überprüft und optimiert. „Mit der Zeit haben wir eine Routine in der Therapie unserer Darmpatienten entwickelt“, sagt Dr. Armin Meister, Chefarzt der Gastroenterologie und stellvertretender Zentrumsleiter. 2008 behandelte das Vinzenzkrankenhaus noch etwa 77 Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs. Im letzten Jahr waren es über 115.
Ein großes Netzwerk
Das Darmzentrum im Vinzenzkrankenhaus besteht aus einem klinischen und einem organisatorischen Teil: Der klinische Teil umfasst ein großes Netzwerk aus intern und extern kooperierenden Partnern, die in das Behandlungskonzept mit eingebunden werden. Hierzu zählen neben der ansässigen Klinik für Gastroenterologie und Chirurgie insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der Pflege, der Onkologie, der Strahlentherapie und Pathologie, der Psychoonkologie sowie die Sozialarbeiterinnen. Das Qualitäts- und Risikomanagement (Ausgabe 4/2022) sowie die Tumordokumentation (Ausgabe 1/2022) kümmern sich maßgeblich um den organisatorischen Teil des Darmzentrums. In der wöchentlichen Tumorkonferenz werden alle aktuellen Fälle besprochen und unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse diskutiert.
„Durch das große Netzwerk und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind wir in der Lage, unseren Patientinnen und Patienten Therapien auf höchstem Niveau anzubieten“, erklärt Michael Runne, Oberarzt der Gastroenterologie und Zentrumskoordinator. „Diese Zusammenarbeit ist extrem wichtig. Ein schneller und strukturierter Ablauf der einzelnen diagnostischen und therapeutischen Schritte ist nach der Erstdiagnose entscheidend für die Patientinnen und Patienten“, ergänzt Prof. Dr. Moritz Kleine, Chefarzt der Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie sowie Zentrumsleiter.
Nach der Erstdiagnose und dem sogenannten „Staging“, einer Umfelddiagnostik, die zum Ausschluss von Krebsabsiedlungen erforderlich ist, wird eine individuelle Therapie erarbeitet. Sie wird vom Medizinischen Aufnahmezentrum (Ausgabe 03/2019) geplant. „Ziel ist es, die erforderlichen Schritte zeitnah in einem etablierten Netzwerk zu organisieren, damit weder Doppeluntersuchungen noch Zeitverluste entstehen“, berichtet Prof. Kleine. „Krebs ist immer ein schwieriges Thema. Wir behandeln auch viele jüngere Patientinnen und Patienten mit komplizierten und langwierigen Verläufen, die einen nicht selten nachdenklich machen. Es ist aus medizinischer Sicht wichtig, dass wir die Behandlungsmethoden weiterentwickeln, um die Wahrscheinlichkeit für ein krebsfreies Überleben der Patienten stetig zu erhöhen. Auch soziale Aspekte spielen eine Rolle: die Weiterversorgung nach stationärer Entlassung verläuft nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Alle Patient*innen des Darmzentrum erhalten eine Psychosoziale Beratung, um sie über die nachstationären Möglichkeiten zu informieren. Im Bedarfsfall wird die nachstationäre Versorgung bedarfsorientiert organisiert.“
Neue therapeutische Möglichkeiten
Mit der Zeit haben sich die Behandlungsmethoden weiterentwickelt. Zur endoskopischen Therapie sind seit 2008 weitere Therapiemöglichkeiten hinzugekommen, als Beispiel die endoskopische Submukosadissektion, die flächige Abtragung in tieferen Schichten oder die Vollwandresektion, die Entfernung von Polypen und Tumoren mit Hilfe spezieller Clipsysteme.
In den letzten 15 Jahren hat sich besonders die Schlüssellochchirurgie zur Standardtherapie der onkologischen Darmchirurgie entwickelt. Teilweise geschieht das auch unter Einsatz eines OP-Roboters (daVinci). Ein spezieller Bereich ist die minimal-invasive Enddarmchirurgie: „Der zu operierende Bereich ist sehr eng, die Anforderung an den Operateur sehr hoch, weshalb wir ein kombiniertes minimal-invasives Vorgehen über den After sowie über den Bauch etabliert haben. Das ermöglicht eine noch sicherere Entfernung von Tumor und umliegendem Lymphgewebe“, erzählt Prof. Kleine. Des Weiteren ist es möglich, mit Hilfe eines fluoreszierenden Kontrastmittels potenziell betroffene Lymphknoten einzufärben, um diese beim operativen Eingriff sicher entfernen zu können. Das Kontrastmittel wird auch für die Durchblutungskontrolle der neuen Darmnaht eingesetzt. So lassen sich Komplikationen minimieren.
Die onkologische Therapie ist um eine Großzahl neuer Chemo- und Immuntherapeutika erweitert worden, welche die Überlebenszeit von nicht operablen Patienten erheblich verlängern. In seltenen Fällen kann bei Krebs des mittleren und unteren Enddarmes nach intensiver Bestrahlung und Chemotherapie mittlerweile auch ganz auf eine operative Entfernung des Enddarmes verzichtet werden. Dafür dürfen nach der Vorbehandlung in keiner Untersuchung mehr Anteile des Krebses zu sehen sein. Das sogenannte „watch-and-wait“-Konzept, also die engmaschige und sorgfältige Nachsorge, ist hier entscheidend. Wichtig: Die organerhaltende Therapie des Enddarmes ist in Deutschland noch wenig verbreitet und sollte nur in erfahrenen Darmkrebszentren erfolgen. Das Vinzenz hat hierfür eine Spezialsprechstunde eingerichtet.
Bei Krebsabsiedlungen in der Leber (Metastasen) wurden weitere nicht-invasive Methoden entwickelt, wie zum Beispiel das Verkochen der Metastasen durch Radiofrequenz oder Mikrowellen oder die minimal-invasive chirurgische Entfernung. Auch hierfür wird in der Tumorkonferenz das für Patienten individuell richtige Verfahren festgelegt.
Das Leben danach
Nach erfolgreicher Behandlung, ob endoskopischer oder chirurgischer Art, ändert sich der Alltag für die meisten Patientinnen und Patienten nicht. „Natürlich sind Lebensumstellungen erforderlich, sofern wir einen künstlichen Darmausgang anlegen müssen oder sogenannte systemische Therapien wie eine Chemotherapie zur Vor- oder Nachbehandlung erforderlich sein sollten. Aber auch hier bereiten wir die Patienten darauf vor und zeigen ihnen Möglichkeiten, wie sie das Leben nach der Therapie meistern können“, berichtet Meister. Nachdem ein künstlicher Darmausgang angelegt ist, erfolgt auf der Station eine engmaschige Anleitung durch unsere Spezialistin für Stoma- und Wundmanagement Claudia Meyer. Sie koordiniert auch die Weiterbetreuung der Patienten, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen werden (Ausgabe 02/2019).
Krebsvorsorge
Grundsätzlich gibt es ab dem 50. Lebensjahr bei Männern und ab dem 55. Lebensjahr bei Frauen die Möglichkeit einer endoskopischen Darmkrebsvorsorge. Weitere Vorsorgeuntersuchungen sind Dickdarmspiegelungen oder Stuhluntersuchungen auf verstecktes Blut.
Bei einzelnen Erkrankungen oder familiärer Belastung, teils auch genetischer Art, wird die endoskopische Vorsorge im Dickdarm auch deutlich jüngeren Patientinnen und Patienten empfohlen. Hier ist eine individuelle Beratung erforderlich. Neben der regelmäßigen Krebsvorsorge sind im Wesentlichen auch ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung wichtig, um den Krebs vorbeugen zu können.